Zur
Hochzeit der Sklaverei vor ca. 300 Jahren, wurden Afrikaner und
indigene Einwohner Südamerikas von Großgrundbesitzer gefangen
genommen, um Arbeitsdienste in der Neuen Welt zu leisten. Die Sklaven
wurden bewusst in ethnisch gemischten Gruppen verschifft und
verkauft, um die Gefahr eines etwaigen Aufstandes zu minimieren.
Innerhalb dieser heterogenen Sklavengesellschaft fand ein reger
Kulturaustausch, allen voran Musik, religiösen Zeremonie und
Rituale, statt. Es entstand im Verborgenen die
als Tanz getarnte Kampfkunst Capoeira.
Auch die Herkunft der vielen verschiedenen Instrumente innerhalb der
Capoeira ließe sich so erklären.
Die
Legende besagt, dass die Gefangen afrobrasilianischen Sklaven diese
effektive Kampftechnik entwickelten und sie als rituellen Tanz
tarnten. Um möglichst wenig auf sich aufmerksam zu machen, sollen
die Sklaven in den Gebüschen nahe ihrer Unterkünfte diese spezielle
Selbstverteidigungstechnik trainiert haben. Ob der Name Capoeira sich
aus dem portugiesischen Wort für Gebüsch ableiten lässt, ist eine
von vielen Mutmaßungen über die Ursprünge der Capoeira.
Fakt ist, dass erste Erwähnungen der
Capoeira in historischen Quellen aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Die nach Brasilien verschleppten
Sklaven rebellierten und errichteten im Dschungel sogenannte
Quilombos (Wehrdörfer) in denen sie sich organisierten und die
Kolonialherren bekämpften.
Die Sklaverei wurden in Brasilien 1888
abgeschafft und Capoeira daraufhin verboten. Caporeistas wurden wie
Kriminellen angesehen und behandelt. Obwohl es immer noch illegal
war, errichtete Mestre Bimba 1932 die erste Academia (Schule der
Capoeira) in Salvador da Bahia. Ein paar Jahre später gründete
Mestre Pasthina ebenfalls eine Academia, in der er seine eigene
Vorstellung der Kampfkunst der Capoeira praktizierte.
So
entstanden zwei unterschiedliche Stile: das von moderne Kampfkünste
beeinflusste Regional des Mestre Bimba sowie das durch tradionellen
Einflüsse geprägte Angola des Mestre Pasthina. Im Jahr 1937 wurde
das Verbot der Capoeira, dann schließlich von Präsident Vargas
abgeschafft und Capoeira wurde in der gesamte Welt mehr und mehr
bekannt.
_______________________________________________________________________
Musik
in der Capoeira
In der Capoeira spielt die
Musik eine wichtige Rolle; sie ist ein integraler Bestandteil, der
nicht wegzudenken ist. Die Musik bestimmt den Rhythmus des „Jogos“,
des Spiels der Capoeiristas. Alle Instrumente, die in der
Capoeira-Roda benutzt werden, bilden die sogenannte „Bateria“.
Zum Einsatz kommen
folgende Instrumente:
Das Berimbau, ein
bogenähnliches Holz-Instrument (Verga) mit einem hohlen Kürbiskörper
(Cabaça) als Resonazkörper, welches mit einem Metalldraht (Arame)
bespannt ist und mit einem Holzstab (Baqueta) und einem Stein/einer
Münze (Moeda/Dobrão) angespielt wird. Weiterhin wird noch ein
Weidengeflechtkörbchen (Caxixi), welches mit Samenkörnern gefüllt
ist, benutzt. Das Berimbau sorgt für den typischen Sound in einer
Capoeira-Roda.
Bei den Berimbaus
unterscheidet man noch drei verschiedene Größen:
In manchen Gruppen kann
man manchmal auch noch die zwei folgenden Cabaça-Varianten sehen:
-Berra-Boi (=Muhen des
Ochsen), eine sehr tief gestimmte Kalebasse, sogar noch tiefer als
die Gunga -Violinha (=kleine
Viola), eine sehr kleine Kalebasse mit einer sehr hohen Stimmlage
Weiterhin zum Einsatz
kommt eine konisch zulaufende große Trommel, die Atabaque und zwei
Schellentambourine, die Pandeiros. In einer Capoeira Regional Bateria
kommen in der Regel diese drei Instrumente vor; im Capoeira Angola
werden weiterhin auch noch das Agogô (zweitöniges Glockenspiel) und
das Rêco-Rêco (Holzbratsche) eingesetzt.
Die Instrumente fangen zum
Beginn einer Roda in folgender Reihenfolge an zu spielen:
Berimbaus
Gunga-Medio-Viola, Pandeiro(s), Atabaque, Agogô und Rêco-Rêco
(wenn vorhanden), dann setzt der Klatschrhythmus (Palmas) ein.
Daraufhin folgt vom Leiter der Roda (der höchst-graduierte anwesende
Capoeirista), der die Berimbau (Gunga oder Viola) spielt, der erste
„Corrido“ (erstes durchlaufendes Lied).
Traditionell wäre
folgender Ablauf:
Danach beginnt der
Vorsänger mit einem Lied, der sogenannten Ladainha (Klagelied) –
hier dann noch ohne Klatschen. Ladainhas sind meist längere,
getragene oder melancholische Lieder, die Trauer um einen
Meister/verstorbenen Capoeirista, Heimweh oder Liebe beinhalten
können.
Ladainhas treten meist in
Rodas des Capoeira Angolas auf; in Regional-Rodas trifft man zumeist
auf sogenannte „Quadras“ (erfunden von Mestre Bimba), die ihren
Namen dadurch erhielten, da sie meistens aus vier (portugiesisch:
quatrain=Vierzeiler) Versen bestehen. Wenn die Ladahina/Quadras
abgeklungen ist/sind, beginnt der Vorsänger mit der sogenannten
Chula (Angola), welche ihren Ursprung im Samba hat, oder der
sogenannten „Louvação“ (=Lob, Lobpreisung), die in Rodas des
Regional auftaucht, inhaltlich aber identisch mit der Chula des
Angolas ist. In der Chula/Louvação spricht der Vorsänger eine
Lobpreisung aus auf Gott, seinen Meister, bekannte Capoeiristas,
wichtige Städte/Orte des Capoeira oder alles andere, dem er eine
Lobpreisung zukommen lassen will. Die Chula/Louvação beginnt mit
dem typischen „ Iê,....“ des Vorsängers und endet mit dem Chor,
der den Vers wiederholt und mit „....camara“ abschließt.
Dann stimmt der Vorsänger
den ersten Corrido (durchlaufendes Lied) an; dabei gibt es einen
Refrain (Coro), der von den Capoeiristas in der Roda wiederholt wird;
auch das Klatschen setzt bei den Corridos ein. Der Inhalt dieser
Lieder kann sehr vielfältig sein und kann unter Umständen den
Spielern in einer Roda etwas mitteilen (z.B. langsamer zu spielen,
wenn sich die Gemüter der Capoeiristas erhitzt haben, u.v.a).
Die Bedeutung dieser
Corridos kann sehr vielseitig sein, und ein guter Capoeirista weiß
um deren gut ge-“timten“ Einsatz in einer Roda.
Auf den ersten Corrido
folgt der zweite usw; es entsteht dabei ein zyklisches Durchlaufen
der Corridos.
Durch den Gesang der
Capoeiristas, zusammen mit dem Spiel der Instrumente, soll eine
positive Energie, welche die Capoeiristas „Axé“ nennen, auf die
Spieler in der Roda übertragen werden, und sie so zu einem
„energiereicheren“ Spiel animieren.
Das „Axé“ ist sehr
wichtig für eine Roda; die Capoeirstas sagen auch :“ gutes Axé –
gute Roda, schlechtes Axé – schlechte Roda“.
Das Hauptinstrument bleibt
aber immer noch das Berimbau, welches den Rhythmus und so auch die
Spielgeschwindigkeit des Spiels/ der Spieler bestimmt. Das Berimbau
kann nicht nur in der Geschwindigkeit variieren, sondern es können
auch komplett andere Rhythmen, sogenannte „Toques“ gespielt
werden, die jeder für sich zu unterschiedlichen Begebenheiten
gespielt werden und auch ein für sie charakteristisches Spiel
verlangen (können). Zu den bekanntesten Toques gehören unter
anderem:
-Angola
-São Bento Pequeno de
Angola
-São Bento Grande de
Angola
-Sao Bento Grande de
Regional/ Regional de Meste Bimba (auch als Regional---Rhytmus
bekannt)
-Iúna
Benguela/Banguela
-Cavalaria
-Amazonas
Santa Maria
Samba de Roda
Idalina
Dabei werden die Toques
„Angola“, „São Bento Pequeno de Angola“ und
„São Bento Grande de
Angola“ immer in einer Angola-Roda gespielt (Gunga, Medio, Viola).
Beim Spiel des Angola wird normalerweise nicht geklatscht; aber es
gibt einige (wenige) Gruppen, welche dies doch machen. Der Toque „São
Bento Grande de Angola“ wird auch in vielen Regional-Rodas als
Hauptrhytmhus gespielt. Andere Regional-Gruppen spielen dahingegen
aber den Toque „São Bento Grande de Regional/Bimba“ als
Hauptrhythmus in einer Regional-Roda.
Der Rhythmus
„Banguela/Benguela“ (=“zahnloses Spiel“) wird auch als
„Angola des Regionals „ bezeichnet, denn hier wird ähnlich wie
in einer Angola-Roda langsamer und tiefer am Boden gespielt; dabei
versuchen die Spieler runde Bewegungen zu machen und umeinander herum
zu spielen; deshalb sind direkte Angriffe/Tritte und Rasteiras
verpönt, da sie den Fluss dieser Spielart unterbrechen würden.
Akrobatische Bewegungen sind hier auch nicht gerne gesehen, es sei
denn es handelt sich um Bodenakrobatik.
Beim Toque „Iúna“
dürfen nur hochgraduierte Capoeiristas wie Mestres, Contre-Mestres,
Professores, Instrutores und manchmal auch Monitores/Graduados
spielen. Diese sollen dabei ihr bestes Spiel zeigen; kraftvolles
dynamisches Spiel und Akrobatik sind erwünscht. Typisch für ein
„Jogo de Iúna“ sind auch die „Cintura desprezada“-Bewegungen
(=“verachtete/verschmähte Hüfte“) oder die sogenannten „Baloẽs“
(=Ballons). Dies sind Bewegungen, wo einer der Spieler versucht den
anderen hoch in die Luft zu schleudern (wobei er oft versucht unter
den anderen zu kommen, um sich dann plötzlich aufzurichten), während
der hochgeschleuderte versucht, wieder auf den Beinen zu landen.
Mestre Bimba dachte sich diese Bewegungen aus, um seine Schüler dazu
zu zwingen, immer wieder auf den Beinen zu landen, selbst wenn sie
mal, gesetz des Falles, in die Luft geschleudert werden sollten. Beim
Toque Íuna wird nicht gesungen (aber manchmal geklatscht). Manchmal
wird bei diesem Toque (oft bei Shows oder Workshops) nicht
miteinander gespielt, sondern die Spieler zeigen dabei eine
Einzelperformance ihrer besten und schönsten Bewegungen
(Capoeira-Solos).
Der Toque „Cavalaria“
ist ein sehr alter Toque und bezieht sich dabei auf die berittene
Polizei (Kavallerie=cavalaria), die in der alten Zeit oft
Capoeira-Rodas zerschlagen hat. Damit sollte in jener Zeit vor eben
dieser Kavallerie gewarnt werden. Heute wird mit diesem Toque keine
eigene Spielart mehr verbunden. In Brasilien, wo es noch oft
Straßenrodas gibt, wird der Toque manchmal gespielt, um anzuzeigen,
wenn sich Touristen (mit vermutlich viel Geld) nähern.
Der Toque „Samba de
Roda“ ist eine Erfindung von Mestre Cajiquinha und wird nach
Abschluss einer Regional-Roda gespielt, wenn der Samba „im Kreis“
beginnt.
Der Toque „Amazonas“
ist ein sehr feierlicher Toque und wird meistens auf „Batizados“
(Taufen)gespielt, um fremde Meister und ihre Schüler zu begrüßen.
Eine spezielle Spielart wird mit diesem Rhythmus normalerweise nicht
(mehr) verbunden. Nur in der Capoeira-Gruppe ABADA wird damit noch
eine Spielart verbunden: Mestre Camisa (ABADA) führte diese Spielart
ein, wo seine Schüler versuchen müssen, Bewegungen bestimmter
Tierarten zu imitieren.
Der Toque „Idalina“
ist heute ein sehr selten gespielter Rhythmus. In der alten Zeit
wurde er häufiger gespielt, wobei die beiden Spieler Rasiermesser
zwischen ihre Zehen steckten und dann versuchten, damit ihren
Gegenspieler zu treffen (wahrscheinlich versuchten sie nicht wirklich
zu treffen, sondern nur anzutäuschen).
Der Toque „Santa Maria“
(machmal auch als Toque „Apanha laranjo no chão“ bezeichnet
[Angola]). Hierbei gibt es historisch zwei Varianten. In der ersten
wurde eine Orange auf den Boden gelegt, wobei beide Spieler
versuchten, diese mit dem Mund aufzunehmen (andere Körperteile
durften diese nicht berühren), und wem dies gelang, der gewann das
Spiel. Daher auch manchmal die Bezeichnung „Apanha a laranja no
chão (=“nimm die Orange vom Boden auf“). Bei der anderen
Variante wurde ein kleines Säckchen auf den Boden gelegt, in dem
sich Geld befand. Auch hier durfte das Säckchen weder mit Beinen,
Armen oder anderen Körperteilen berührt werden, sondern nur mit dem
Mund. Wem es gelang, es mit dem Mund aufzunehmen, der durfte das
darin befindliche Geld behalten. In einigen Quellen wird dieser Toque
auch dem „Rassiermesser-Spiel“ (Idalina) zugeordnet. Heute wird
mit diesem Toque meistens keine spezielle Spielart mehr verbunden.
Mestre Bimba erweiterte diesen Toque zur „O Hino da Capoeira
Regional (de Mestre Bimba)“ (Die Hymne des Capoeira Regionals).
Einge wenige Gruppen verwenden diesen Toque also als solche Hymne und
spielen sie immer vor jedem Training, wobei vor allem Mestre Bimba
gedacht werden soll. Einige andere Gruppen verwenden sie ähnlich wie
den Toque Amazonas als feierlichen Toque bei Feiern, Batizados u.a.
speziellen Anlässen.
Es existieren noch einige
weitere Toques, die aber sehr gruppen-individuell sind und somit
keine große Rolle spielen. Die wichtigten sind die hier genannten
Toques.